Marietta Slomka ist eine der bekanntesten Moderatorinnen des deutschen Fernsehens. Als Gesicht des ZDF‑Nachrichtenmagazins heute journal ist sie vielen Menschen vertraut – in der Regel stilvoll, professionell geschminkt und bestens vorbereitet für den Sendebetrieb. Doch was bedeutet ungeschminkt in diesem Zusammenhang? Wie sehr gibt sie mit „ungeschminkt“ wirklich Einblick in ihr wahres Ich? In diesem Artikel möchte ich untersuchen, wie Marietta Slomka in Interviews über Natürlichkeit spricht, welche Grenzen sie dabei setzt und welche Rolle das Konzept „ungeschminkt sein“ im Leben einer öffentlichen Person spielt.
Schon früh machte Slomka deutlich, dass sie sich nicht dem Druck äußerer Schönheitsideale beugen möchte. In einem Interview äußerte sie einmal: „Ganz grundsätzlich glaube ich, dass Charaktertypen eher gefragt sind als Menschen, die aussehen wie aus dem Katalog.“ (vgl. Bunte) Damit sendet sie eine klare Botschaft: Authentizität zählt für sie mehr als makelloses Aussehen. Sie räumt ein, dass Makeup und Styling im Studio nötig sind, um im Fernsehen gut auszusehen, doch sie betont gleichzeitig: „So dick geschminkt wie im Fernsehstudio ist man gar nicht so attraktiv.“
In derselben Diskussion gab sie bekannt, dass Botox für sie keine Option ist. Für sie würde der Einsatz solcher Maßnahmen der Ausdruck eines Mangels sein – gerade in einer Rolle, in der man durch Mimik, Gesichtsausdruck und Glaubwürdigkeit überzeugen muss (vgl. Bunte). Sie sieht es als unverzichtbar, eine bewegliche Mimik zu behalten, um ausdruckslos oder unbeweglich zu wirken, wenn sie etwa in Interviews Nachfragen stellt. Ihre Ablehnung gegen kosmetische Eingriffe ist also auch ein Statement gegen körperlichen Druck, der oft auf Frauen im Medienbetrieb lastet.
Aber auch wenn Slomka eine deutliche Haltung in Sachen Natürlichkeit einnimmt, gibt sie nicht uneingeschränkt Einblick in ihr Privatleben oder ihr ungefiltertes Ich. Der Begriff „ungeschminkt“ kann leicht romantisiert werden: Wir erwarten dann Offenheit, Verletzlichkeit oder Intimität. Doch auch öffentliche Figuren wie Slomka haben ein Recht auf Grenzen – sie entscheiden selbst, was sichtbar wird. So verzichtet sie bewusst auf eine Social‑Media‑Präsenz aus Gründen der „Psychohygiene“. In einem Interview erklärte sie, dass durch Social Media ein Druck entstehe, ständig aktiv kommunizieren zu müssen, Fehler sich stärker bemerkbar machen und sie zur Projektionsfläche für Hass werde (vgl. RTL, Watson). Damit grenzt sie klar ab zwischen der Rolle vor der Kamera und dem privaten Ich.
Dieses „ungeschminkt sein“ ist also ein Spiel mit Grenzen: Sie zeigt sich mutig und offen in öffentlichen Kontexten, aber gleichzeitig schützt sie sich privat gegen Eindrücke, die ihr schaden könnten. In einer Zeit, in der jede Bewegung und jeder Kommentar auf Social Media zirkuliert, erscheint eine bewusste Selbstbegrenzung fast schon revolutionär.
In Interviews reagiert Slomka oft gelassen auf Fragen zu ihrem Aussehen. Wenn sie auf ihre blauen Augen angesprochen wird – etwa auf der Straße – empfindet sie das nicht automatisch als sexistisch. Sie sieht es vielmehr als Teil der Wahrnehmung, die Zuschauer haben, und akzeptiert, dass Menschen auf ihr Äußeres reagieren (vgl. Focus, Welt). Dabei spricht sie aus, dass sie lieber auf Substanz als auf oberflächliche Beurteilungen bedacht ist.
Der Begriff „ungeschminkt“ lässt sich nicht nur auf das äußere Erscheinungsbild beziehen. Er hat auch eine metaphorische Dimension: ungeschminkt reden, ungeschminkt urteilen, ungeschminkt denken. In diesem Sinn zeigt Slomka häufig eine Haltung, die auf Klarheit, direkte Fragen und harte Nachhaken abzielt. In ihren politischen Interviews wird sie oft dafür gelobt – oder kritisiert –, zwischen den Zeilen zu fragen und mit dem Gegenüber nicht warm zu werden. Sie selbst lehnt das Label „stutenbissig“ ab und betont, sie stelle dieselben Fragen an Männer wie an Frauen (vgl. B.Z.).
Dass eine Journalistin mit Namen in manchem Branchenjargon mit einem eigenen Begriff verknüpft wird, zeigt das Ausmaß, wie sehr ihr Stil wahrgenommen wird: Der Begriff „geslomkat“ taucht gelegentlich auf, um standhafte, hartnäckige Fragen zu beschreiben (vgl. B.Z.). Ob man diesen Begriff mag oder nicht – er zeigt, wie sehr Slomka mit einem bestimmten journalistischen Profil verbunden ist.
Doch selbst mit dieser öffentlichen Präsenz bleibt Slomka in vielen Teilen ihres Lebens „geschützt“. Über ihre Ehe, persönliche Kämpfe oder private Krisen spricht sie selten öffentlich. Das ist ihr gutes Recht. Ungeschminkt bedeutet also nicht die völlige Offenlegung aller Gefühle und Lebensdetails – sondern die bewusste Auswahl dessen, was sie preisgibt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Der Anspruch, „ungeschminkt“ zu sein, setzt bei vielen Menschen einen hohen Standard, der kaum dauerhaft erfüllt werden kann. Niemand ist immer völlig roh, unverstellt oder verletzlich in jeder Situation. Auch eine öffentliche Figur steht in einem Spannungsfeld zwischen Image, Verantwortung und Selbstschutz. Insofern ist es sinnvoll, „ungeschminkt“ nicht als Ziel zu verstehen, das jederzeit perfekt erfüllt sein muss, sondern als Ideal, an dem man sich orientiert – mit Reflexion und mit Grenzen.
Welche Wirkung hat das für das Publikum? Wenn eine bekannte Moderatorin öffentlich über Natürlichkeit und Authentizität spricht, kann das helfen, unrealistische Erwartungen an Aussehen und Perfektion zu relativieren. Menschen lernen, dass auch öffentliche Figuren Ecken, Kanten und Grenzen haben – und dass es legitim ist, gewisse Lebensbereiche privat zu halten. In einer Zeit, in der Filter, Retuschen und Scheinwelten dominieren, kann eine reflektierte Haltung zur Echtheit ein notwendiger Kontrapunkt sein.
Zusammengefasst: Marietta Slomka ungeschminkt heißt weniger: ohne Makeup, als vielmehr mit einem klaren Standpunkt zu Authentizität. Sie zeigt, dass Natürlichkeit keine Schwäche ist, sondern eine bewusste Entscheidung im Spannungsfeld zwischen öffentlichem Bild und privatem Selbst. „Ungeschminkt“ ist für sie kein Zwang, sondern eine Haltung – mit brauchbaren Grenzen und mit dem Respekt vor dem, was verborgen bleiben darf.